Kunst-Geschehen
Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem modernen Menschen und seinem Leben in der Gesellschaft prägt die Kunst der Germanistin und Historikerin
Heidi Meier. Politische Ereignisse, die diese Gesellschaft verändern, aber auch das Verhältnis des Menschen zur Natur beschäftigen die Künstlerin in ihrem Wirken, das durch unterschiedlichste Methoden und Prozesse charakterisiert wird.
So kommt sie in ihrer Arbeit zu gänzlich unterschiedlichen Bild– und Objektresultaten, wobei der Weg dorthin wichtiger ist als das Ergebnis.
„Kunst-Geschehen“ nennt sie dann auch selbst ihre Arbeit, bei der sie ihre Aufmerksamkeit auf das Denken und Handeln konzentriert und die
verborgene Energie in den von ihr benutzten Materialien aufzuspüren sucht.
Ihre Zeichnungen, Grafiken und Objekte erzählen Geschichten in Form von assoziativen Bilderrätseln.
Mit ihren narrativen Bildern, in denen das geschriebene Wort eine besondere Rolle spielt - in Form handgeschriebener Texte, manchmal gar als Zeitungsartikel - bereitet uns die Künstlerin einen Denk–Raum, in dem sie verschiedenste Assoziationsspuren auslegt. Titel geben Hinweise zur Entschlüsselung der Gesamtintention.
Der ferner in ihrem Statement formulierte Wandel der „Handschrift zum rein zeichnerischen Element in einer Zeit, die sich keine Schnörkel erlauben will“, findet vielfach Ausdruck in den unterschiedlichsten Serien ihrer Zeichnungen
und Grafiken. So lassen sich in einigen Arbeiten vollständige Sätze, andernorts aber nur fragmentarische Wörter entziffern.
Generell steht die Schrift in diesem Kontext als Metapher für die menschliche Kommunikation an sich.
Die Künstlerin gewährt uns mit ihren Arbeiten einen breitgefächerten Einblick in ihre Wahrnehmung, ihr reflektiertes Denken und das Universum ihrer künstlerischen Kreativität, in dem wir vor Überraschungen vermutlich niemals sicher sein können.
Heidi Meier beweist bei der Wahl ihrer Materialien einen untrügerischen Blick für ästhetische Zusammenhänge und ein empfindsames Gespür für narrativ Bedeutsames.
Auch Fundstücke und Abfälle oder gezielt für eine bestimmte Arbeit oder Serie beschaffte Alltagsgegenstände oder Spielzeuge fügt sie zusammen oder verändert sie zu Objekten, die eine Geschichte bzw. einen Prozess implizieren.
So kulminieren diese Objekte und Materialien in der von ihr gewählten Kombination in einer assoziativen, zum Teil rätselhaften Erzählstruktur.
Den Räumen der Objektreihe der „Verlassenen Orte“ haftet die Aura eines verborgenen Mysteriums an, das es unter der Oberfläche des materiellen Minimalismus dieser Werke zu entdecken gilt.
Hier beweist die Künstlerin ein Gefühl für besondere atmosphärische Stimmungen, deren Wirkung durch die objektimmanenten symbolträchtigen Assoziationen erzeugt wird.
Auf wesentlichste Elemente reduziert, vermitteln ihre Raumkonstrukte mit der ihnen innewohnenden, simplen Totalität den Eindruck spielerischer Leichtigkeit,
der jedoch zusehends in dem Maße einer ausdrucksstarken Intensität weicht, wie die Symbolhaftigkeit in den Bezügen der Gegenstände zueinander für den Betrachter
offenbar wird.
Klar und prägnant setzt die Künstlerin wenige Elemente, die sie ihren Figuren oder Gegenständen zuordnet, in den Kontext des sie umgebenden Raumes, kreiert
Anspielungen auf die Geschichten hinter den offensichtlich wahrnehmbaren Dingen.
Gesellschaftliche wie auch politische Inhalte stellt sie bildlich oder gegenständlich assoziativ dar und trifft auf ironische Art den Nerv des Betrachters. Mit intelligent verpackten Hinweisen initiiert sie waches und kritisches Denken und lässt uns so an ihrem „Kunst-Geschehen“ teilhaben.
Heidi Meiers Bilder und Objekte sind Reflexionen unseres inzwischen so sehr schnelllebigen Zeitgeistes, den sie auf subtile Art und Weise kritisiert.
Mit ihrer formal breit gefächerten Kunst führt sie eine leise Attacke gegen das gesellschaftliche, politische und kulturelle Klischeedenken in unserer alltäglichen Lebenswelt.
Anke Schmich (Kunsthistorikerin)
anlässlich der Werkausstellung „Heidi Meier - telling stories“,
Städtische Galerie Kamen, 8.3. – 3.5. 2018